NEU: Wer sind wir in Krisenzeiten – Acem Meditation in der heutigen Zeit

Von Ingrid Rentel

 

März 2020: ich sitze zur Mittagszeit mit Freunden in unserem Lieblingsrestaurant. Wir haben uns einige Zeit nicht gesehen und genießen unser Beisammensein. Aber wir sehen uns auch beunruhigt um: sind die Tische weit genug auseinander? Hustet Jemand von den anderen Gästen auffällig viel? Das noch unbekannte Virus Corona schwebt über uns.

Die Pandemie – und die Folgen

Was danach alles geschieht, wer von uns hätte die Fantasie gehabt? Wir sehen die unfassbaren Bilder aus Italien und begreifen die Gefährlichkeit des Virus, zumal es anfangs kein Mittel dagegen gibt. Wir haben eine weltweite Pandemie. Sie ist eine unbekannte Größe. Das kann nicht mehr individuell gelöst werden. Wir haben eine sogenannte allgemeine Gefahrenlage. Nun muss der Staat hinreichend Schutz gewähren. Das Virus aber diktiert das Handeln des Staates. Er muss sich, gegenüber des Virus verhalten, auf etwas, auf das er nicht vorbereitet war, er kann nur nachhaltig handeln. In einer liberalen Demokratie bewegt sich der Staat zwischen den Standpunkten Recht auf Leben – Recht auf Freiheit. Der Staat darf nicht zu wenig tun, aber auch nicht übermäßig in die Freiheit eingreifen. In diesem Fall geht die Gefahr vom Kontaktverhalten aus. Folglich muss der Staat diese einschränken. Er begrenzt die Verhaltensfreiheit seiner Bürger, weil die Bürger ein Recht auf Leben haben. Aber damit diskriminiert er zwangsläufig andere Rechte. Das ist die Tragik und kann zu einer Spaltung der Gesellschaft führen. Das Recht auf Leben, ist in Deutschland ein ganz besonderes Recht, es steht über allem aufgrund der Erfahrung des Nationalsozialismus.

Welche Folgen hatten die Maßnahmen des Staates für uns im Alltag? Schulen wurden geschlossen, und Eltern mussten erkennen, dass „Lehrer“ wohl doch ein Beruf ist. Schwer war es, sich mit Freunden nur noch zu zweit treffen zu können. Kranke Angehörige durften wir im Krankenhaus oder im Altenheim nicht besuchen. Sie starben allein. Geschäfte wurden geschlossen, und viele von uns verloren ihre Arbeit und bekamen Existenzängste oder wir hatten das zweifelhafte Glück, im Home Office zu arbeiten mit einem Laptop am Küchentisch und lärmenden Kindern um uns herum. Wir erlebten leere Regale in Lebensmittelgeschäften und Ausgangssperren ab 21 Uhr.

Aber wir lernten auch einiges: wegen der Masken, lächelten wir nun mit unseren Augen. Wir wurden digital, und trafen uns auf der Arbeit und privat über neue online Programme. Wir erlebten, dass Forscher weltweit zusammen arbeiteten und so in kurzer Zeit Impfstoffe entwickelten.

Diese Zeit spaltete die Gesellschaft aber auch: Egoismen von Freunden bekamen nun eine andere Bedeutung als vor der Pandemie. Da nahmen wir diese Seite von ihnen mit Humor. Manche absorbierten unreflektiert ihre eigenen Werte und Ansichten, so dass wir uns schließlich von ihnen trennten. Aber Nachbarn wurden in diesen Zeiten auf einmal zu Freunden.

Dann kehrte dank der Impfstoffe so etwas wie Gewohnheit ein. Wir lernten, mit dem Virus zu leben und erkannten durch die Pandemie, was in unserer Gesellschaft dringend zu verbessern ist und nahmen es in Angriff.

Doch wir sollten nicht zur Ruhe kommen. Corona war immer noch da, und nun kam der Krieg mitten in Europa dazu. Der Westen dachte, das westliche Modell der liberalen Demokratie würde sich nach dem kalten Krieg und dem Mauerfall konzentrisch verbreiten. Doch nicht alle wollen so leben wie wir. Russland, vielleicht korrekter gesagt, Putin, will die Zukunft als die alte russische große Vergangenheit in neuer Zeitgestalt zurück.

Wir begriffen erst jetzt, dass wir so unbesorgt mit Gas und Strom umgehen konnten, weil wir es billig von Russland erhielten. Das spürten wir, als kein Gas mehr aus Russland geliefert wurde. Die Energiepreise steigen horrende, die Lebensmittelpreise auch. Wir wissen nicht, ob wir durch den Winter kommen werden. Wir haben eine Inflation von 10 %, bekommen immer weniger für unser Geld und unser Erspartes. Falls wir Aktien haben sollten, können wir bei ihrem Fall zusehen.

Wieder holen uns Existenzängste ein: muss mein Unternehmen schließen wegen der hohen Energiekosten? Kann ich meine Wohnung halten? Wieweit wird Putin gehen? Wir sind da mittendrin. Dieses Mal ist der Krieg nicht weit weg, wir sind in unserem Alltag davon betroffen.

Und all diese äußeren Krisen und Konflikte treffen auf unsere individuelle Persönlichkeit, die auch ihre inneren Konflikte hat. Auch sie sind alle noch da. Die äußeren Krisen treffen auf unsere bewussten und unbewussten Verhaltensmuster, auf unsere Haltung zum Leben. Was in solchen Krisensituationen als erstes gut funktioniert, ist unser ältestes Gehirnteil, was als Reaktion bedeutet: Angriff, Flucht, Erstarrung. So nimmt in der Gesellschaft die Gewalt zu, besonders in den Familien laut der Statistik; die Sehnsucht nach einfachen Lösungen. Es gibt wieder das „wir“, aber nicht die anderen. Manche von uns leugnen wissenschaftliche Fakten und hängen esoterischen Erklärungen an. Wir teilen wieder ein in Gut und Böse, wobei wir die Guten sind. Die unreife Haltung der Projektion hat wieder Hochkonjunktur. Auch die Depressionen haben laut der Statistik der deutschen Krankenkassen stark zugenommen. All diese Reaktionen auf die Krisen in unserer Gegenwart sind menschlich. Sie gehören zu uns.

 

Wie kann die Acem Meditation den Kulturmenschen in uns unterstützen?

Aber wir sind auch Kulturmenschen. Als Kulturmensch kann der Mensch sich Vorstellungen davon bilden, wie er leben will. Er kann Hypothesen überprüfen, falsifizieren, neu erstellen und verbessern im Hinblick auf die Realität, was geht, was nicht. Er lernt durch neue Situationen. Der Mensch kann seine Affekte kontrollieren mit der Frage: „Moment, geht es nicht auch anders?“

In dieser Zeit sind wir wohl alle etwas angespannt. Vielleicht spüren wir es gar nicht mehr so deutlich, da diese Angespanntheit unser täglicher Begleiter geworden ist. Wenn wir meditieren, entspannen wir uns auf jeden Fall. Es kommt auch dann zu einer Entspannung, wenn wir gar nicht das Gefühl haben, weil wir Unruhe und unangenehme Gefühle während der Meditation spüren. Wissenschaftliche Forschungen haben dies nachgewiesen. Woran erkennt man, dass ein Mensch sich entspannt? Der Puls senkt sich schon in den ersten 10 Minuten. Sitzt man nur da mit geschlossenen Augen, gibt es keine Änderung in dieser Hinsicht. Ein weiteres Indiz für die Entspannung ist weniger Sauerstoffverbrauch. Weitere Entspannungskennzeichen sind: Verminderung der Atemfrequenz, Senkung des Blutdrucks, Muskelentspannung.

Wenn wir regelmäßig meditieren, haben wir eine bessere Stressbewältigung. Menschen, die regelmäßig meditieren, weisen reduzierte Spiegel der Stresshormone Adrenalin und Cortisol auf. Stressabbau ist so wichtig, weil Stress eine ganze Kette von Prozessen in Gang setzt und unseren Körper und körperliche Funktionen beeinflusst.

 

Eine Studie zum Stress am Arbeitsplatz

In sechs größeren norwegischen Firmen wurde eine Studie zum Stress am Arbeitsplatz und die Wirkung der Acem Meditation dagegen durchgeführt. Das Ergebnis war: weniger körperliche Schmerzen, weniger Ängste und Nervosität, weniger Krankheitsfälle und Arbeitsausfälle. Die Acem Meditation führt also zu einer besseren Gesundheit, auch in Krisenzeiten.

Schon in normalen Zeiten, wenn ich an dieser Stelle diesen Ausdruck benutzen darf, haben wir mit unseren bewussten und unbewussten unreifen Persönlichkeitsstrukturen, die uns steuern, und unseren Blick auf das Leben und unsere Entscheidungen bestimmen, genug zu tun.

Besonders in Krisenzeiten melden sich alte unreife Verhaltensmuster, mit denen wir früher auf Krisen reagiert haben, gern zurück in Form von Erstarrung vor Angst, übertriebene Existenzängste, der Unfähigkeit, zu handeln, unkontrollierter Wut oder Projektion: die anderen sind an allem schuld. Wenn wir regelmäßig meditieren, stärken wir dennoch unsere Handlungsfähigkeit. Karin hat ausführlich dargestellt, wie das in der Acem Meditation geschieht.

 

Mit Hilfe der Acem Meditation lernen wir, Gefühle zu akzeptieren

Wenn sich während unserer Meditation unsere bekannten Existenzängste, unsere Wut und unsere Hilflosigkeit melden, können wir diese etwas bearbeiten mit der freien offenen inneren Wiederholung des Lautes. Wir stecken im Alltag nicht mehr so fest in diesen Gefühlen. Wir haben diese Gefühle zwar noch, aber wir haben mehr Distanz zu ihnen. Wir müssen nicht mehr automatisch nach ihnen handeln. Wir können uns sagen: „Moment, geht es auch anders?“

Wir bekommen mehr Zugang zu unseren Emotionen und so mehr Selbsterkenntnis und Selbstakzeptanz: „Wer bin ich in Krisenzeiten?“ Vielleicht schenkt uns die Acem Meditation die eine oder andere Antwort darauf.

Mit Hilfe der Acem Meditation lernen wir auch, diese Gefühle zu akzeptieren: ja, wir haben Existenzängste; ja, wir sind wütend; ja, wir fühlen uns hilflos. Wir müssen sie nicht mehr auf andere projizieren. Und wir können eher erkennen, was wir selbst tun können, was wir nur akzeptieren können und was wir aushalten müssen, weil die Situation nun einmal so ist.

Ich erinnere mich an ein altes bekanntes Gedicht oder auch Gebet:

„Hilf mir, mit Gelassenheit Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.

Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann

und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

  • Ingrid Rentel

    Acem Kurslehrerin
    Lehrerin und staatlich geprüfte Betriebswirtin