Wenn die Meditation von kritischen Gedanken bezüglich unserer Technik und Ausführung dominiert wird, mag es nahe liegend erscheinen, diese zu unterdrücken und „sich selbst zusammenzureißen“. Die effektivste Lösung ist jedoch genau das Gegenteil: die negative Selbstkritik so zu akzeptieren, wie wir es mit jeder anderen spontanen Aktivität tun würden. Diese Gedanken reflektieren niedrige Selbstbilder, und in dem wir sie vorbeiziehen lassen, befreien wir uns mit der Zeit von ihnen.
Von Dr. Halvor Eifring
Evaluative Gedanken sind ein integraler Bestandteil der Meditation. Manchmal können sie sogar sehr positiv sein: „Das funktioniert ganz besonders gut!“ „Genau so, soll Meditation sein“, „Ich habe wirklich etwas erreicht“. Häufiger, jedoch sind sie negativ: „Ich mache das nicht richtig“, „Ich denke zu viel, und meine Gedanken sind zu aufdringlich“ „In meiner Meditation geschieht nichts“. In Acems Meditationspsychologie werden derartige Gedanken Metagedanken genannt. Sie stellen eine besondere Herausforderung an den Meditierenden dar.
Verfälschtes Erleben – falsche Meditation
So gut wie jeder, der merklich Metagedanken während der Meditation erlebt, glaubt dass sie der Wahrheit entsprechen. Urteile bezüglich unserer Ausführung führen zu einem verfälschten Erleben der Meditation, und normalerweise reagieren wir, in dem wir versuchen unsere Ausführung zu modifizieren. Diese Abfolge von Geschehnissen kann folgendermaßen zusammengefasst werden:
Die Modifikation, die wir anstreben, kann sich darin zeigen, dass wir versuchen den Meditationslaut klarer und kräftiger zu wiederholen, um die Metagedanken zu übertönen. Alternativ versuchen wir vielleicht aktiv jede Form mentaler Aktivität zu unterdrücken, die unsere Meinung nicht der Meditation entspricht: Pläne, Tagträume, Angst, Traurigkeit, Schmerz, Unruhe, Müdigkeit. In beiden Fällen, beinhaltet unsere Reaktion zu einem gewissen Grad aktive Konzentration, und führt somit zur Einschränkung unserer Gelassenheit und zu fehlerhaften Meditation.
Wenn wir so auf Metagedanken reagieren, sprechen wir ihnen einen Wahrheitsgehalt zu, den sie nicht verdienen. Metagedanken repräsentieren nicht die Wahrheit über unsere Meditation; sie sind nur ein Teil des Gedankenstroms, der während der Meditation entsteht. Wie alle anderen Gedanken, die während der Meditation auftauchen können, sollten Metagedanken einfach nur kommen und gehen dürfen. Sie basieren auf unseren niedrigen Selbstbildern.
Negative Selbstbilder
Metagedanken reflektieren unsere Selbstbilder, die uns nicht nur während der Meditation beeinflussen, sondern auch während unseres alltäglichen Lebens. Diese Selbstbilder können in Form von Kompensation mit einem starken Selbstwertgefühl zum Ausdruck gebracht werden – „Ich fühle mich großartig!“, „Das habe ich besonders gut gemacht!“ – aber häufig sind sie negativ und werden mit einem Gefühl von Peinlichkeit und Scham verbunden: „Ich bin ein Versager!“, „Ich bin dumm und ein hoffnungsloser Fall“, „Was würden andere Leute von mir denken, wenn sie mich so sehen würden?“
Negative Selbstbilder gehen auf die Herausbildung des Selbst in der frühen Kindheit zurück und sind tief in unserer Psychologie verwurzelt. Sie führen zu Problemen, in dem sie unser Verhalten zu einem zu großen Teil kontrollieren. Wir verhalten uns möglicherweise gemäß ihrer Sichtweise und schränken so unsere Möglichkeiten im Leben ein. Oder vielleicht verwenden wir unheimlich viel Energie darauf, zu versuchen, Situationen zu vermeiden, die schmerzvolle Selbstbilder verstärken, ob es sich um eine Prüfung handelt, darum in der Öffentlichkeit zu sprechen, mit einem Vorgesetzten zu sprechen, sich einer langjährigen Beziehung zu verpflichten oder sich um Andere zu kümmern. In diesem Sinne führen negative Selbstbilder zu Lähmung: Wenn wir derartige Situationen vermeiden, vermeiden wir damit auch Herausforderungen, deren Konfrontation gut für uns wäre, ob es im Bereich der Bildung, des Berufs, des Privatlebens oder familiärer Verpflichtungen ist.
Negative Metagedanken in der Meditation reflektieren diese niedrigen Selbstbilder, und unsere Versuche, unsere Meditationstechnik zu modifizieren, sind vergleichbar mit den Vermeidungsstrategien, die wir in unserem Alltag verwenden. In beiden Fällen glauben wir, dass die negative Kritik der Wahrheit entspricht und reagieren, in dem wir versuchen unser Verhalten zu verändern. Und in beiden Fällen ist diese Reaktion kontraproduktiv, verschlimmert das Problem und hält uns in einem Teufelskreis gefangen.
Den Teufelskreis unterbrechen
Die einzige Möglichkeit dem Teufelskreis zu entkommen und Fortschritte in unserer Meditation zu machen, ist die Art und Weise wie wir Metagedanken erleben zu ändern. Das bedeutet von der Empfindung abzukommen, dass negative Metagedanken verlässliche Anzeichen für ein Problem in unserer Meditation sind.
Die Realität entspricht dem Gegenteil: selbst-kritische Gedanken sind das Ergebnis richtig ausgeführter Meditation! Wenn wir mit Gelassenheit meditieren, ermöglichen wir, dass unsere Selbstbilder an die Oberfläche unseres Bewusstseins kommen, und in negativen Metagedanken Ausdruck finden. Nur wenn wir mit dem Versuch reagieren, unsere Meditationsausführung mittels Konzentration zu modifizieren, kommt es dabei zu Problemen.
Paradoxerweise liegt die Lösung des Problems der Metagedanken darin, sich von ihnen zu lösen und sie vorbeiziehen zu lassen wie alles andere auch. Wir müssen aufhören „uns zusammenzureißen“, den Meditationslaut klarer oder stärker zu machen, und davon ablassen die Gedanken und Gefühle zu unterdrücken, die ihren Ausdruck in der Meditation suchen. Kurzgesagt, wir akzeptieren die Situtation wie sie ist, anstatt Energie darauf zu verschwenden, zu versuchen sie zu ändern.
Letztendlich geht es darum eine andere Perspektive einzunehmen. Wenn wir anfangs Metagedanken haben, können wir uns in einer negativen Sichtweise verfangen, und es kommt uns vielleicht nicht in den Sinn, die Dinge auf eine andere positive Art zu sehen. Es kann hilfreich sein mit einem erfahrenen Ansprechpartner über unsere Meditation zu sprechen, um diese Blindheit oder engstirnige Sichtweise zu überwinden und eine neue Sichtweise der Sitation zu ermöglichen. Der Griff der Metagedanken wird durch Gelassenheit gelöst, was einen Wechsel von einem überschatteten, restriktiven Teil unseres Selbst zu einem anderen mit mehr innerer Freiheit ermöglicht.
In dem wir negative Metagedanken akzeptieren, bekommen wir Zugang zu Gefühlen, die von unseren niedrigen Selbstbildern beeinflusst werden. Das kann schmerzvoll sein, aber es kann sich auch erleichternd anfühlen: wir befreien uns von negativen Verhaltensmustern und einschränkenden psychologischen Strukturen, und wir gewinnen Zugang zu neuen Energiereserven, die bisher darauf verwendet werden unwillkommene Selbstbilder, Gedanken und Gefühle zu unterdrücken. Unsere niedrigen Selbstbilder verschwinden nicht notwendigerweise, aber sie verlieren einen großen Teil ihrer Macht über uns. Unsere grundlegenden Selbstbilder werden stabiler und sicherer, und wir erreichen einen größeren Grad an Selbstakzeptanz und innerer Stärke.